Führung durch das Kernkraftwerk Zwentendorf


Ein Kraftwerk, das nie in Betrieb ging

Das Kernkraftwerk Zwentendorf in Niederösterreich ist ein einzigartiges Bauwerk. Es ist das weltweit einzige Kernkraftwerk, das fertiggestellt wurde, aber nie in Betrieb genommen wurde. Der Bau des Kraftwerks begann 1972 und wurde 1978 abgeschlossen. Die geplante Inbetriebnahme löste jedoch eine Welle der Proteste aus. Am 5. November 1978 fand eine Volksabstimmung statt, bei der sich 50,45 % der Bevölkerung gegen die Nutzung der Kernenergie in Österreich aussprachen. Dies war weltweit die erste Volksabstimmung über ein Kernkraftwerk und ein Meilenstein in der Geschichte der Energiewende. Die Abstimmung trug zur Verankerung des Anti-Atomkraftausbaus in der österreichischen Verfassung bei.
Das stillgelegte Kraftwerk blieb zunächst ungenutzt und verfiel zusehends. In den 1990er Jahren wurde es dann als Drehort für Filme und Fernsehserien genutzt.

Außerdem wurde es für die Schulung von Mitarbeitern an den 5 Schwester-Reaktoren genutzt. Dadurch, dass das Kraftwerk nicht in Betrieb ging, gibt es keine Probleme mit Radioaktivität. So sind auch Bereiche am Reaktor ohne Bedenken zusätzlich, bei denen der Aufenthalt bei den anderen Reaktoren wegen der Strahlung gefährlich wäre.

Seit 2009 ist es für die Öffentlichkeit zugänglich und bietet Führungen, Ausstellungen und Veranstaltungen an.

Die Termine für die Führungen sind immer sehr schnell ausgebucht. Aber als ich Anfang des Jahres zufällig auf der Webseite des Kraftwerks war, konnte ich den heutigen Termin buchen.

Führung

Die Führung begann mit der Vorführung eines Films. Der knapp 10minütige Film sollte über die Nutzung von Kernkraft "aufklären".

Sowohl über die inhaltlichen Aussagen als auch über die Machart des Films kann man aus heutiger Sicht nur ganz heftig mit dem Kopf schütteln.

Im Grund war das ein reiner Propaganda-Film pro Kernenergie.

Unser Guide hatte uns in seinen einleitenden Worten schon vorgewarnt.

Dann ging es direkt ins Kraftwerk. Wir gingen durch die Schleuse, die auch die Mitarbeiter passieren mussten. Einen etwas gruseligen Eindruck machte das schon.




 

Dann fuhren wir mit dem Aufzug ganz nach oben über den Reaktor. An einem Kran hing der Reaktordeckel.


 

Es waren ein paar Modelle von Brennelementen ausgestellt.



 

Der Kran, der den Reaktor mit Brennelementen bestücken sollte, war zugänglich. Von der Plattform aus war ein Blick in den Innenraum des Reaktors möglich.



 

Das Becken wäre normalerweise mit Wasser gefüllt. Im Hintergrund ist das Abklingbecken für die ausgebrannten Brennelemente zu sehen.

Neben den Reaktor lagen dicke Betonelemente. Diese würden den Reaktor im Betrieb abdecken.
Die nächste Station war ein seitlicher Blick in den Sicherheitsbehälter. Auch wenn diesem Kernkraftwerkstyp die typische halbrunde Kuppel fehlt, so gab es schon einen luftdichten Sicherheitsbehälter aus doppelwandigen Stahl.


 

Innerhalb des Sicherheitsbehälters sollte im Betrieb ein Unterdruck herrschen. Außerdem wäre der Sauerstoffgehalt der Luft reduziert wurden, damit es im Fall eines Störfalls nicht zu Knallgasexplosionen (wie in Fukushima) kommen konnte.

Die nächste Station war der Bereich neben dem Reaktor.


Hier sollte im Betrieb Wasser für das Notkühlsystem stehen. Heißer überschüssiger Dampf sollte im Störfall hier kondensiert werden. Dieser wäre durch diese Düsen eingeleitet worden.


Dieser gesamte Bereich wäre bei einen aktiven Kraftwerk nicht zugänglich. Die Strahlung wäre hier viel zu hoch und es war eigentlich auch kein Zugang vorgesehen. Deswegen ist der Blick hier hinein wirklich einzigartig.

Weiter ging es in den Bereich unter den Reaktor. Durch eine Schleuse betraten wir den Sicherheitsbehälter. 

Hier sind die Antriebe der Steuerstäbe zu sehen.



 

Die wurden bei diesem Reaktortyp von unten eingeführt. Es handelt sich hier um einen Siedewasserreaktor. Das heißt, dass das Wasser im Reaktorkern zu Dampf erhitzt wurde, der dann direkt auf die Turbinenschaufeln strömte. Unter dem Reaktordecke sammelte sich der Dampf, so dass dort Steuerstäbe im Weg wären.

An den Stellen, wo die Steuerstäbe in den Reaktor eingeführt wurden, kann es zu kleinen Lecks kommen. Keine Dichtung ist 100%ig, auch wenn im Reaktor nur ein relativ niedriger Druck von nur 70 Bar herrschen sollte. Um die Menge des Leck-Wassers zu kontrollieren wurde es aufgefangen und durch Röhren in Auffangbehälter geführt.

Einmal am Tag sind dann Menschen in diesen Raum gegangen und haben das kontrolliert. Bei laufenden Reaktor waren 10 min Aufenthalt hier möglich. Irgendwie ist das für mich eine sehr gruselige Vorstellung, dass nur wenige Meter von Reaktorboden entfernt Menschen arbeiten mussten. 


Auf dem folgenden Bild ist ein interessantes Detail zu sehen.


Wenn man genau hinschaut, dann sieht man die Plastikverpackung des Kabels. Nachdem beschlossen war, das Kraftwerk nicht in Betrieb zu nehmen, wurde es erst einmal konserviert. Damit die Kabel nicht korrodieren, wurden sie luft- und wasserdicht eingepackt.

Die nächste Station der Führung war die Maschinenhalle. Der Generator fehl in der Halle. Er wurde verkauft. Aber die Dampfturbine war zu sehen. Sie war sogar geöffnet, so dass wir die Turbinenschaufeln der einzelnen Stufen sehen konnten.





Die letzte Station war der Steuerraum. 



 

Von hier aus wäre der Reaktor gesteuert wurden. Alles feinste Analogtechnik aus den 1970er Jahren. Unser Guide berichtete, dass dieser Raum schon öfter als Filmkulisse diente. Das kann ich mir sehr gut vorstellen.

Fazit

Insgesamt waren wir über 2 Stunden in dem alten Kraftwerk unterwegs. Theoretisch wusste ich schon vorher, wie das Kraftwerk funktioniert. Es ist aber eine ganz andere Sache, so eine Anlage aus nächster Nähe zu sehen.

Für mich ist das Kernkraftwerk Zwentendorf ein einzigartiges Stück Zeitgeschichte. Ein Besuch ist unbedingt zu empfehlen.

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